Nein, Sie haben nichts falsch gemacht, auch nichts Falsches gesagt. Es ist keine Frage aus Entrüstung.

Nein – ich möchte Sie vielmehr zum Nachdenken einladen. Es ist die Frage nach Ihren Grundüberzeugungen: Was glauben Sie eigentlich? Und warum glauben Sie, was Sie glauben? Die Frage könnte auch lauten: Warum denken Sie eigentlich, was Sie denken? Oder: Warum denken Sie, wie Sie denken?

Was sollen diese komischen Fragen? Es ist doch klar, ich habe immer schon so gedacht und bin frei zu denken, was oder wie ich will. Punkt.

Wollen Sie trotzdem mit mir auf eine kleine Gedankenreise kommen? Diese Reise ist allerdings nicht ganz harmlos. Erstens erfordert sie einige Minuten Ihrer knappen Lebenszeit. Lesen und Denken erfordern Zeit. Aber Nachdenken ist ultimativ und bringt zudem unbezahlbaren Gewinn für Ihr eigenes Leben.

Denken unterscheidet uns von Tieren und Pflanzen. Natürlich gibt es sehr intelligente Tiere, wie Delphine, Pferde usw. Auch an Pflanzen beobachten wir erstaunliche Reaktionen. Keine Frage.

Aber Denken erlaubt uns Menschen über uns selber nachzudenken. Etwas «philosophischer» gesagt: Als Mensch kann ich mich selber reflektieren (widerspiegeln). Ich kann mich von aussen anschauen, über mich nachdenken. Das kann so nichts Anderes im ganzen Universum.  Das hat der berühmte französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal schon vor über 300 Jahren festgestellt:

«Der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste der ganzen Natur, aber es ist ein denkendes Schilfrohr…  Aber auch wenn das Universum ihn zerstören würde, so wäre der Mensch doch vornehmer als das Universum, das ihn tötet, weil er weiss, dass er stirbt und die Übermacht kennt, die das Universum ihm gegenüber hat.

Das Universum weiss nichts davon.» (Fragment 200/347).

Das Universum mit allem in ihm (das James-Webb-Teleskop lässt grüssen!) weiss nichts von sich selbst. Nur wir Menschen haben die Fähigkeit, über uns nachzudenken.

Meistens denken wir gewinn- oder zielorientiert. Was bringt mir etwas, wie kann ich mich optimaler weiterentwickeln oder wie kann ich mehr Genuss bekommen im Leben?

Das sind naheliegende Fragen. Aber Pascal spielt mit seinen Überlegungen über das Verhältnis von Mensch und Universum auf die vier Grundfragen an, die sich Menschen, seit sie über diese Erde gehen, immer und immer wieder stellen:

  • Woher komme ich?
  • Wohin gehe ich?
  • Wer bin ich?
  • Wie soll ich denn leben?

Die bewusste oder meist unbewusste Sehnsucht nach Antworten auf diese Fragen, steuert unser Denken und Handeln. Nochmals: Nachdenken erfordert Zeit. Es gibt aber Zeiträuber in unserem Leben: Oft ist der Freizeitstress in unserem Leben grösser als der Stress am Arbeitsplatz. Das Angebot der schier unbegrenzten Möglichkeiten in Konsum und Freizeit, echtzeitlicher Information auf -zig Informationskanälen und -plattformen lenken uns von diesen Grundfragen ab. Im Wort ablenken ist die Bedeutung von «lenken» drin. Wir werden gelenkt, viel mehr als uns lieb ist. Und zusätzlich lassen wir uns unsere Zeit rauben. Wir sind so leicht lenkbar (manipulierbar), weil wir aus der Sehnsucht nach Antwort auf diese Fragen heraus anfällig sind auf oberflächliche Antworten. Politische, wirtschaftliche, weltanschauliche Werbung macht sich diese Sehnsucht zunutze, indem sie verlockende Antworten anbietet, ganz nach dem Prinzip «haben» macht glücklich. Dabei bleibt «sein» auf der Strecke. Nicht was ich «habe» macht mich zum wertvollen, achtbaren Menschen, sondern der Umstand, dass ich ein Mensch «bin».

Nachdenken ist existenziell wichtiger als all die Meldungen über Transfers von Topfussballern, die entfernten Ferien-Traumdestinationen oder die beruflichen Erfolge. Auch eine Auszeit oder eine Weltreise bringen letztlich keine Veränderung, wenn dabei kein Raum ist, grundsätzlich über das eigene Leben nachzudenken.

Die oben erwähnten Grundfragen haben einen logischen inneren Zusammenhang. Wenn ich mir Rechenschaft gebe darüber, woher ich komme, wo ich einmal hingehen werde, lerne ich besser verstehen, wer ich bin. Ich erkenne meine Abhängigkeit, meine Verletzlichkeit, meine Grenzen (auch die Grenzen meiner Freiheit), aber auch meine Begabungen, meine Schönheit und v.a. den Sinn und die Bedeutung meines Daseins in diesem Universum. Daraus ergeben sich die Prioritäten für mein Leben, für das, was wirklich wichtig ist. Und das wiederum stellt die Weichen zur letzten Frage: Wie soll ich denn leben? Wer oder was darf mich leiten in dieser Frage? Das ist der (relativ enge) Spielraum der menschlichen Freiheit.

Die Antworten auf diese Grundfragen sind nicht beliebig, nicht einfach frei wählbar. Es gibt Antworten, die uns als individuelle Menschen oder als ganze Menschheit fördern, und solche, die uns schaden. Pascal sagt an anderer Stelle in seiner Fragmentensammlung «Les Pensées», dass es darum geht, «richtig» zu denken. «Richtig denken» ist heute verpönt. Wer weiss denn schon, was richtig und falsch ist, wird immer wieder argumentiert. Es ist doch richtig, dass wir uns für das Klima, für soziale Gerechtigkeit und für den Schutz der Tiere und der Natur einsetzen. Ja natürlich, keine Frage. Aber das Problem ist die Fragmentierung dieser Einzeldenkansätze, weil sie keine zusammenhängende Antwort auf diese Grundfragen geben. Zum «richtigen» Denken gehört der Blick auf den Grundzusammenhang unseres Daseins. Wo der fehlt, gleiten wir ab in orientierungslose Beliebigkeit und/oder heftige Konkurrenz der Lösungsansätze. Dabei nehmen unsere Seelen und unsere Mitwelt offensichtlich Schaden. In diesem Prozess sind wir jetzt drin. –

«Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.» Dieses bekannte Wort von Jesus zitiert Johannes in seinem Evangelium. Es gibt offensichtlich eine Wahrheit: Jesus. Diese Wahrheit ist keine Theologie, keine Philosophie, sondern eine Person. «Richtig denken» heisst also nicht, eine Ideologie – auch keine christliche -, zu «glauben» (für wahr zu halten), sondern in enger Freundschaft mit einer lebendigen Person verbindlich unterwegs zu sein. Die Bibel, die uns zuverlässig über Jesus informiert, hilft uns, diesen Weg mit Jesus zu gehen, indem sie uns alles mitteilt, was wir über Gott, Jesus und uns selber wissen müssen. Sie gibt uns Mitte und Orientierung. Damit können wir wirklich leben und aufblühen.

Es gibt offensichtlich ein «richtiges» Denken. Eine unverzichtbare Voraussetzung dazu ist Demut und Bescheidenheit. Denn «richtiges» Denken und seine praktische Umsetzung im Alltag ist oft nicht dasselbe. Wer mit Jesus in Beziehung lebt, wird aber auf die oben an gesprochenen Grundfragen Antworten bekommen. Dann wird sich umgekehrt positiv bestätigen, was Pascal in einem andern Fragment negativ beschrieben hat:

                                                                     (Sinngemässe Umkehrung):
Wer Jesus Christus nicht kennt,                    Wer Jesus Christus kennt,
weiss nichts von Gott,                                    erkennt Gott,
weiss nichts von der Welt                              erkennt das Wesen der Welt
und nichts von sich selber.                            und erkennt sich selber.

Kann uns das wirklich kalt lassen?

Hansjörg Baldinger

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