
Der Impfstoff ist da. Das Ende der Pandemie in Sicht. Wir schmieden schon wieder Pläne für die Zeit danach. Es kann sich nur noch um Monate handeln…?
Es ist längst alles, aber auch wirklich alles für, gegen, über, um, zu, wegen Corona und Impfung gesagt, geschrieben, kritisiert und gefordert worden. Bis zum Überdruss.
Wirklich alles?
Da ist noch etwas beizufügen, das in der ganzen Aufregung unterzugehen droht. Haben Sie zwischendurch nicht an sich Gedanken, Gefühle oder Reaktionen beobachtet, die Sie vor der Krise so nicht wahrgenommen haben? Wut über die Einschränkungen im täglichen Leben? Vorsicht? Angst?
Angst – vielleicht nicht direkt vor dem winzigen Ding, aber vor seinen wirtschaftlichen Auswirkungen. Oder einfach davor, dass Vieles nicht mehr ist wie gewohnt. Unsicherheit, weil was vorher als sicher galt, unsicher geworden ist.
Über Angst redet man nicht gerne. Aber wir müssen darüber reden.
Wir müssen darüber reden, dass das Weltverständnis, das wir in den letzten Jahrzehnten uns zu eigen gemacht haben, sehr zerbrechlich ist. Ich meine die Ansicht, dass wir es sehr weit gebracht haben, wirtschaftlich, technisch, wissenschaftlich, dass wir die anstehenden Probleme mit gutem Willen werden lösen können. Dass die „bessere Welt“ nur noch eine Frage der Zeit sei.
Das kleine Ding hat diese Überzeugung erschüttert. Die Pandemie hat bspw. wenige noch reicher gemacht und viele, zu viele in den Ruin getrieben.
Warum konnte es so weit kommen? Nur weil die Chinesen Fledermäuse essen oder das Virus aus dem Labor entwischen konnte? Auf solche Fragen gibt es keine befriedigenden Antworten. Unser Kausaldenken greift zu kurz. Wir wissen ziemlich viel über Viren, wir wissen, wie wir uns gegen die negativen Sorten dieser Spezies schützen können. Wir wissen, dass sie mutieren. Aber wir können nicht erklären, warum die anfängliche Virusvariante in dem Moment mutiert, da der erste Impfstoff gefunden wird. Warum ist diese Art Virus jetzt und nicht vor zehn oder erst in 20 Jahren aufgetreten? Es gibt Fragen, auf die wir keine Antworten haben.
Wenn wir unsere Grenzen wahrnehmen, verstehen wir besser, wer wir sind und wie wir leben sollen. Verstehen, dass wir nicht uns selbst gehören und grenzenlos über uns verfügen können. Dass da Einer ist, der vor allem war und nach allem sein wird: der lebendige Gott, der Schöpfer von „Himmel und Erde“. Dass da Einer vor der Tür steht und geduldig anklopft. „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an. Wer mir die Türe öffnet, zu dem werde ich hinein gehen und Gemeinschaft mit ihm haben.“ (Die Bibel). Da steht der Urheber, der „Besitzer“ des Universums, vor mir, in grosser Sehnsucht nach Gemeinschaft mit mir. Als Bittsteller. Er rennt die Türe nicht ein.
Dieser grosse Eine beseitigt diese Krise nicht mit einem Fingerschnippen, aber er möchte unsere Sorgen, unsere Verzweiflung und Einsamkeit in Quarantäne und Lockdown mittragen.
Sehen Sie, ich habe vor einigen Jahrzehnten in grosser Auswegslosigkeit diese Tür in einem Gebet geöffnet. Seither ist dieser Eine (Jesus) in mein Leben gekommen und bei mir. Auch wenn ich manchmal nichts von seiner Nähe spüre, ist er da. Auch in dieser Krise. Das Virus kann mich immer noch treffen, mir sogar das Leben kosten, aber ich bin nicht allein. Einer ist da, der mich kennt, der mir nahe sein will, trotz all meiner Grenzen. Er ist da, nicht weil ich ein „Kirchenspringer“ bin, sondern weil ER ein für alle Mal alles geregelt hat für mich – und für alle, die ihm die Türe öffnen.
Die Corona-Zeit als Chance wahrnehmen?
Hansjörg Baldinger